Gegen den ehemaligen sowjetischen politischen Gefangenen Boris Kagarlitzki wurde ein Strafverfahren eingeleitet

Boris Kagarlitzki ist ein russischer Soziologe und Publizist, ehemaliger sowjetischer politischer Gefangener und Dozent an der Higher School of Economics in Moskau. Im Jahr 1982 wurde er wegen anti-sowjetischer Propaganda verhaftet und hat mehr als ein Jahr im Gefängnis in Lefortowo verbracht. Seit 2012 betreibt er den YouTube-Kanal „Rabkor“. Im Jahr 2022 wurde er als ausländischer Agent eingestuft.

Am 25. Juli wurden bei den Kollegen von Kagarlitzki in Moskau Durchsuchungen im Zusammenhang mit dem Fall der Terrorismusverherrlichung durchgeführt. Der Soziologe selbst wurde festgenommen und nach Syktyvkar (Republik Komi) gebracht. Am 26. Juli hat das Gericht seine Inhaftierung bis zum 24. September angeordnet.

Das Verfahren wurde aufgrund eines Beitrags von Kagarlitzki über die Sprengung der Krimbrücke eingeleitet, der am 8. Oktober 2022 in seinem Telegram-Kanal veröffentlicht wurde.

Warum ist das wichtig?

In seinem Beitrag analysiert Kagarlitzki die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen, die durch eine Explosion auf der Krimbrücke entstehen könnten. Der Text enthält weder einen Aufruf zu terroristischen Handlungen noch eine Rechtfertigung von Terrorismus.

Nach Angaben des russischen Innenministeriums wurden im Jahr 2022 insgesamt 490 Strafverfahren wegen der Verherrlichung des Terrorismus (Art. 205 Abs. 2 des russischen Strafgesetzbuches) eingeleitet. Häufig werden für die Einleitung solcher Verfahren Beiträge in sozialen Medien herangezogen, die keine Unterstützung für Terrorismus enthalten, sondern nur die persönliche Meinung der Autor*innen wiedergeben. Die russischen Behörden nutzen Verfahren wegen Terrorismusverherrlichung, auch im Internet, als Mittel, um ihre Kritiker*innen einzuschüchtern und abweichende Meinungen zu unterdrücken.

Foto: Telegram-Kanal „Kagarlitzki letters“