In Köln wurde ein Vortrag über die Menschenrechte in Russland gehalten

Das vierte Treffen aus der Reihe der Vorträge zum Thema Menschenrechte in Russland fand am 2. November 2019 in Köln statt.
In „Lew Kopelew Forum“ sind MenschenrechtsaktivistInnen, JournalistInnen und Kulturschaffende zusammengekommen.
Die Sitzung wurde ins Deutsch übersetzt.
Den Abend moderierte der Politologe Igor Eidman.

Die Fragen der Anwesenden wurden von dem Menschenrechtler Sergej Davidis, der Politikerin Julia Galyamina, dem Historiker und Journalisten Nikolai Rudensky, dem Menschenrechtsaktivisten Dmitri Piskunov, dem Dichter und Publizisten Lev Rubinstein und dem ehemaligen politischen Gefangenen Alexei Polikhovitsch beantwortet.

Julia Galyamina sagte, dass ihrer Meinung nach die Nichtbeteiligung der Opposition an realen politischen Aktivitäten, nämlich an den Wahlen, negative Auswirkungen auf die Situation in Russland hatte und sogar zur Stärkung autoritärer Tendenzen führte. In den letzten 5-6 Jahren hat sich dies jedoch geändert, da sich eine „neue Opposition“ herausgebildet hat, die in die Regionalwahlen eingetreten ist und es geschafft hat, wenn auch nicht immer, in die reale Politik einzudringen und anfängt sie zu beeinflussen.

Der ehemalige politische Gefangene, Alexej Polichowitsch, als er sich vorgestelt hat, hat zugegeben, dass obwohl er seit 4 Jahren auf freiem Fuß ist, sich erst jetzt an das Präfix „ehemalig“ für die Wortverbindung „politischer Gefangener“ zu gewöhnen beginnt. Dann hat er die Details des „Bolotnaya Falls“ mitgetgeteilt, in dem er vor Gericht gestanden hatte. Er hat z.B. die Tatsache erwähnt, dass jedes Anfassen des Polizisten ein Grund sein könnte, eine Person ins Gefängnis zu stecken. In seinem Fall ergriff er die Hand eines Polizisten, der eine andere Person mit einem Knüppel geschlagen hatte, woraufhin dieser vor Gericht bezeugte, dass er Schmerzen erlitten hatte und sein Arm davon rot wurde. Er „gestand“ auch, dass er so viel gelitten hatte, dass er drei aufeinanderfolgende Nächte lang nicht mit seiner Frau schlafen konnte.

Solche Details des Leidens des Polizisten verursachten Gelächter im Raum, da Fälle von Gewalt gegen DemonstrantInnen, einschließlich Knochenbrüche und Kopfverletzungen, überhaupt nicht untersucht wurden. Es gab eine scherzhafte Klarstellung darüber, „was der Aktivist eigentlich beim Polizisten angefasst hatte?“

Der Historiker, Ethnograph und Journalist Nikolai Rudensky erzählte von den Zeiten, als er in den 90er Jahren Assistent der prominenten russischen Politikerin Galina Starowoitowa war, und später von seiner Arbeit in dem Medium Grani.ru. Er stellte fest, dass der Trend in Russland, unerwünschte Medien im Internet zu blockieren, etwa 2014 mit dem Anschluss der Krim angefangen hat. Grani.ru scheint eine der ersten Medien gewesen zu sein, die im Internet verfolgt wurden.

Herr Rudensky bemerkte, dass die Popularität des Fernsehens in Russland rückläufig ist, vor allem bei jungen Menschen, aber das Internet ist keine völlig freie Informationsquelle mehr, wie es früher war.

Der Menschenrechtsverteidiger Dmitri Piskunov, der sich mit dem Thema Gewalt, Folter und Entführung im Kaukasus beschäftigt, sprach über das Format des „Integrierten mobilen Teams“, in der MenschenrechtsverteidigerInnen in der Region arbeiten. Das Format legt nahe, dass eine kleine Gruppe zum Arbeitsplatz kommt, dort etwa einen Monat verbringt und dann geht. Sie werden durch andere Menschen ersetzt. Mit dieser Form der Arbeit ist es schwieriger, Druck auf MenschenrechtsverteidigerInnen auszuüben, obwohl es immer noch unmöglich ist, Inhaftierungen, Drohungen und andere Druckmittel vollständig zu vermeiden.

Der Dichter und Publizist Lev Rubinstein hat seine Gefühle für das moderne Moskau beschrieben und es mit „Paris in den Jahren der Besatzung“ verglichen: Die Cafés funktionieren, das Abendleben hat nicht aufgehört, die Menschen haben Spaß, aber „die Besatzungstruppen laufen durch die Stadt“.

Die ReferentInnen beantworteten zahlreiche Fragen zum Thema aus dem Publikum, sowohl von russischsprachigen als auch von deutschsprachigen ZuschauerInnen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto © Lew Kopelew Forum e.V.